Mumbai, Indien

Gleich nach der Ankunft geht es zum Gateway of India, wo schon die bunten Holzboote zur Überfahrt auf die Elefanta-Insel warten. 120 Stufen müssen wir bei 38 Grad und 85% Luftfeuchtigkeit hochklettern, bevor wir vor dem mächtigen Säuleneingang der hinduistischen Tempelanlage ankommen und im Inneren des Berges die beeindruckenden Porträts und verschiedene Szenen aus dem Leben des Gottes Shiva bewundern können. Die Figuren und Bilder wurden alle nur mit Hammer und Meißel händisch aus dem Basaltstein gehauen. Um so mehr ist es unverständlich, dass die portugiesische Armee in den nunmehr zum Weltkulturerbe ernannten Höhlen, Schießübungen veranstaltete und dabei ziemliche Schäden hinterließ. Nur die 3-köpfige Büste, die sowohl den Gott der Erschaffung, der Bewahrung und der Zerstörung, also die 3 wesentlichen Energien im Hinduismus symbolisiert, ist heil geblieben, wird doch vermutet, dass die Armee darin auch die christliche Dreifaltigkeit hinein interpretierte.

Wieder zurück in der Stadt hat Klaus die gute Idee zum High Noon Tea ins Taj Mahal Palace Hotel zu gehen: ein Traum, die würzigen Kleinigkeiten wie Currys, Streetfood und natürlich die Desserts, dazu ein Masala Chai mit würziger Kardamom-Zimt-Ingwer-Note und das alles in wunderbar britischer Atmosphäre in der Sea Lounge des besten Hotels Asiens. Obwohl heute Sonntag und vergleichsweise wenig Verkehr ist, büßen wir bei der Taxifahrt zurück zum Hafen unsere Sünden ab, visiert doch unser klappriges Gefährt so manches andere Fahrzeug oder die Fußgeher auf der Straße an. Noch dazu spielen die jungen Männer  heute am Sonntag ihren Nationalsport Kricket mitten auf der Straße und weichen sichtlich erst 2 cm vor unserer Stoßstange aus, aber irgendwie klappt es immer wieder.

Am nächsten Morgen geht es einmal rund um die Stadt: die hängenden Gärten die gar nicht hängen, der hinduistische Krishna Tempel, die schöne St. Thomas Kirche, das Price of Wales Museum, den mondänen Marine Drive mit den Luxuswohnungen, daneben die Bezirke der Mittelschicht mit vielen Mietwohnungen und dazwischen immer wieder tristeste Wohnverhältnisse in der 20-Millionen-Metropole.

Unvorstellbare 8 Millionen Menschen kommen jeden Tag am Mumbai Terminus an und werden die wunderschöne koloniale Architektur dieses Bahnhofs auf ihrem Weg in die Arbeit sicher nicht mehr registrieren. Aber es funktioniert auch wie viele andere Dinge die wir hier kennenlernen. So werden täglich per Bahn 300.000 Lunch-Boxen, gefüllt mit dem von den Frauen daheim gekochten Mittagessen, in die Stadt geschickt, dort verteilt und am Nachmittag wieder an den Empfänger zurückbefördert. Diese Dabbawalas funktionieren mit einem System aus zwischenmenschlicher Logistik, Farben und Buchstaben. Ganz genau weiss man es nicht aber die Präzision ist enorm: von 16 Millionen Lieferungen geht nur eine einzige schief.

Ebenso wird in der weltweit größten Wäscherei dem Dhobi Ghat auch noch im Miele-Zeitalter die Wäsche von vielen Haushalten, Spitälern und Restaurants in Mumbai von 9.000 als Einzelunternehmer tätigen Männern, den Dhobis, abgeholt, händisch gewaschen und gebügelt wieder zugestellt. Das System ist billig, funktioniert gut und gibt wohl vielen Leuten Arbeit, wie uns unsere aus der Mittelschicht der Parsen stammende Reiseführerin erklärt. Ein buntes Bild bieten die Becken, Männer und die überall flatternde, in der Luft trocknende Wäsche mitten in der Großstadt. Nirgendwo wird der Gegensatz Mumbais so deutlich wie hier: neben dem Ghat steht mit dem Antilia-Hochhaus das größte und teuerste Einfamilienhaus der Erde. Es gehört dem indischen Öl-Multi Mukesh Ambani. Neben dem Waschplatz und im Umfeld, wo die Arbeiter unter Zeltplanen und in baufälligsten Ruinen hausen, lebt er mit Frau und drei Kindern auf 20 Etagen mit 600 Bediensteten und 170 Autos – ohne Worte!

Wir besuchen natürlich auch das Wohnhaus von Mahatma Gandhi und erinnern uns wieder an seinen bemerkenswerten Weg des gewaltfreien Widerstandes und seine Bedeutung für die indische Befreiung von der britischen Kolonialherrschaft im Jahr 1947.

In Mumbai leben acht Religionen nebeneinander: neben den Hinduisten  sind es vorwiegend Muslime, Christen, Buddhisten aber auch die Parsen mit ihrer Lehre von der Verbundenheit der Naturelemente, die ihnen auch verbietet, ihre Verstorbenen zu verbrennen oder zu begraben. Vielmehr wird auch heute noch ein Leichnam von ausgewählten Männern zu den Türmen des Schweigens gebracht, auf die sie gelegt werden und die Geier und Vögel erledigen ihr Werk dann auf ihre Weise. Bedeutende Persönlichkeiten wie Zubin Metha oder Freddy Mercury sind oder waren Parsen. Wir fahren ein wenig bedrückt und auf jeden Fall schweigend an den von einer Mauer und Wald umgebenen Türmen entlang, vorbei an den Geiern und Vögeln, die dort heute auf den Bäumen sitzen.

Nach einem herrlichen Mittagessen mit würzigen Tikka Masalas, verschiedenen Currys und einer würzigen vegetarischen Reismischung schlendern wir noch durch die geschäftigen Viertel von Colaba und Fort und mischen uns im Horniman Garden unter die Büroleute, die dort auf den Schaukeln oder im Gras liegend ihre Mittagspause verbringen.

Bald geht es weiter in unseren nächsten und letzten Kulturkreis auf unserer Reise. Unser nächstes Ziel: Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten

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